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Selbstversuch: Effekte verschiedener Trainingsinterventionen (EMS, EMA, Pur) auf die neuromuskuläre Aktivierung

Der stetige Leser dieses Blogs müsste wissen, dass ich seit geraumer Zeit ein absoluter Fan von MYOACT (System zur Erfassung der Aktionspotentiale am Muskel via Oberflächen-EMG) bin. Neulich kam mir im Halbschlaf die Idee folgende Trainingsmöglichkeiten hinsichtlich der neuromuskulären Aktivierungsfähigkeit vor und nach der Intervention (1-3) zu untersuchen und zu diskutieren (4), sowie einen Erklärungsansatz (5) zu finden.

  1. EMA und kontinuierliche Ergometerbelastung
  2. kontinuierliche Ergometerbelastung
  3. EMS und kontinuierliche Ergometerbelastung
  4. Diskussion
  5. Erklärungsansatz

1: Ausdauertraining und EMA auf dem Ergometer.

Hierbei hat mich folgendes erstaunt. Die neuromuskuläre Aktivierungsfähigkeit war nach der anstrengenden Bike-Session höher als vorher. Ich hätte erwartet, dass sie etwa um mindestens ein viertel abnimmt. Gewählt habe ich ein Kraftausdauerprogramm mit im Schnitt 7 Sekunden Belastung und 3 Sekunden Anschwellung. Anstatt eines Absinkens der Werte habe ich also eine Erhöhung dieser festgestellt. In diesem Zusammenhang ist es interessant an die Konzepte der „Post-Activation-Potentiation“ (PAP), oder auch des „Post-Activation-Performance-Enhancement“ (Pape), bzw. auf dem Gebiet der Elektrostimulation der „Post-Tetanic-Potentiation“ (PTP) zu denken. Aber zunächst mal der nächste Test:

2: Ausdauertraining auf dem Ergometer.

Das pure Ausdauertraining ohne Zusatzbelastung hat zu einer Abnahme der neuronalen Aktivierungsfähigkeit von 10% geführt. Das habe ich so erwartet und es wurde auch in anderen Studien so in etwa erreicht (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29118716/).

3: Ausdauertraining plus EMS auf dem Ergometer.

Beim EMS + Cycling ist die Abnahme deutlicher als bei Cycling alleine. Das war auch erwartbar bei 40 Hz dauerhafter Stimulation ohne Pause über 20 Min.

4: Diskussion

Der metabolische Stress ist sicherlich ein Einflussfaktor. Der metabolische Stress im Muskel ist einfach höher bei 40 Hz Dauerbelastung als bei kurzen Pausen im KA-Programm beim EMA (1). Dadurch gibt es dann wohl eine reziproke zentralnervöse Hemmung der efferenten Bahnen über die afferenten Nerven der Gruppe 3 und 4 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5023715/). Diesen wollte ich darauf folgend ausschalten. Ich musste EMA (Kraftausdauerprogramm 7on/3off) ohne Bewegung gegen EMS (85 Hz, 7on/ 3off) ohne Bewegung testen. Dies habe ich jeweils mit maximal tolerabler Intensität durchgeführt (am Bizeps).

Der Ausgangswert ist jetzt, wie man sehen kann, nicht allzu hoch.

MYOACT Bizeps Prä EMS

Nach den 20 Minuten EMS ist dieser aber nochmals sichtlich nach unten gegangen.

Myoact Bizeps post EMS

So. Jetzt wird es spannend. Wie entwickelt sich der Wert der neuronalen Aktivierungsfähigkeit bei Mittelfrequenz (EMA)? Der Ausgangswert ist auch entsprechend niedrig.

Myoact Bizeps prä EMA

Es hat hier leider nur zu 13 MInuten Stimulation gereicht, da an diesem Tag ein Klient um 13 Uhr kam…

Myoact Bizeps post EMA

Aber ich denke dieser Wert war jetzt so nicht erwartbar. Hier legt mehr als eine Verdoppelung vor!

Ich musste das ganze also nochmals über einen längeren Interventionszeitraum tracken.

Hier jetzt also von einer Woche später die Werte für prä-, nach 20 Min und nach 40 Min Stimulation mit Mittelfrequenz an der Toleranzgrenze. Der Ausganswert ist schon sehr hoch gewesen auf einmal. Ob das auf die Trainingsinterventionen aus der Woche davor zurückzuführen wäre???

Zunächst also der Graph der Ausgangsmessung an diesem Tag:

Myoact T2 Bizeps prä EMA

Nun der Graph nach 20 Minuten:

Myoact T2 Bizeps post 20 EMA

Nach 20 Minuten ist der Wert noch höher! Es ist also wirklich so, dass 20 Minuten EMA die neuronale Aktivierungsfähigkeit eines Muskels erhöhen! Woran liegt das?

Ich habe 20 weitere Minuten durchgezogen:

Der Wert nach 40 Minuten ist nun endlich ein wenig unter den Ausgangswert gesunken. Gott sei Dank. Hierfür mache ich nun natürlich auch die reziproke Hemmung über die Gruppe 3 und 4 Bahnen verantwortlich.

Aber warum unterscheiden sich die Ergebnisse so stark von a) EMS und b) Training ohne Stimulation???

Meinen Erklärungsansatz schreibe ich demnächst…

in der Zwischenzeit: … Studien…

5) Erklärungsansatz

Ich denke absolut, dass für die verminderten Werte bei 2 und 3 eine Mischung aus metabolischem Stress im Muskel und einer Art neuromuskulärem Fatigue erklärbar sind. Im Umkehrschluss erkläre ich mir die erhöhten Werte bei 1 und bei den folgenden Untersuchungen im Bereich 4 folgendermaßen: Die Mittelfrequenz stimuliert die Muskulatur ohne Nervenbeteiligung. Dadurch wird ausschliesslich der Muskel aktiviert und sozusagen auf Betriebstemperatur gebracht und genutzt. Versucht man nun nach der Stimulation maximal willkürlich zu kontrahieren, so trifft ein frischer Nerv (quasi ein ausgeschlafener Rennfahrer) auf einen aufgewärmten Muskel (Rennwagen mit warmem Motor und Reifen). Das Ergebnis ist dann eine bessere Aktivierungsfähigkeit. Schlussendlich sollte sich, wenn man das Prozedere etwas optimiert und zum Aufwärmen nutzt dann auch eine bessere Leistung erzielen lassen als nach herkömmlichem Aufwärmen. Hier wäre dann das Stichwort PAPE. Mal sehen was daraus wird. Ich befinde mich derzeit in der Datensammlung…

Pethick, J.; Tallent, J. The Neuromuscular Fatigue-Induced Loss of Muscle Force Control. Sports 2022, 10, 184. https://doi.org/10.3390/sports1011018

The Time-Course of Acute Changes in Corticospinal Excitability, Intra-Cortical Inhibition and Facilitation Following a Single-Session Heavy Strength Training of the Biceps Brachii

Effect of exercise-induced muscle damage on neuromuscular function of the quadriceps muscle

 

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